Gespräche professionell führen

Von Christian-Rainer Weisbach und Markus Junger

Wenn Menschen miteinander reden, ist noch lange nicht gesagt, dass sie auch tatsächlich ein Gespräch miteinander führen. Denn eine wirkliche Gesprächsführung erfordert stets auch ein Lenken und Steuern des Gesprächsverlaufs. Dazu muss man seine Gesprächsziele kennen, sich an seinem Gegenüber orientieren und auch das eigene Verhalten hinterfragen.

Oberstes Gebot für eine professionelle Gesprächsführung ist, seine Gesprächsziele zu kennen. Ist dies nicht der Fall, kann es schnell passieren, dass die Gesprächspartner wieder auseinander gehen, ohne ein wirkliches Ergebnis erzielt zu haben.

Klare Gesprächsziele definieren
Ihre Gesprächsziele haben Sie dann effektiv formuliert, wenn fest steht

  • wer?
  • was?
  • mit wem?
  • in welchem Kontext?
  • bis wann?
  • für welches Ergebnis?

macht. Achten Sie darauf, Ihre Ziele möglichst positiv und klar zu formulieren. Außerdem müssen Sie Fakten benennen, anhand derer Sie überprüfen können, wann Sie Ihr Ziel erreicht haben.

Mit den folgenden sechs Fragen stimmen Sie sich auf ein zielorientiertes Gespräch ein und festigen Ihre Vorstellungen:

  • Was will ich erreichen?
  • Mit welchem Ergebnis wäre ich auch noch zufrieden?
  • Welches langfristige Interesse habe ich am Gesprächsergebnis?
  • Welche Nebenziele strebe ich zusätzlich an?
  • Mit welchem Gefühl möchte ich aus dem Gespräch gehen und wie soll sich die andere Seite fühlen?

Diese kleine Vorarbeit sollten Sie vor jedem Gespräch leisten, um es möglichst effektiv führen und zu einem guten Ergebnis gelangen zu können.

Orientierung am Gegenüber
Möglichst viel Vertrauen und Glaubwürdigkeit zu vermitteln, ist die Basis eines erfolgreichen Gesprächs. Dies setzt voraus, dass Sie sich im Gesprächsverlauf immer wieder an Ihrem Gegenüber orientieren und auch seine Sprache verwenden, um ihn besser zu erreichen. Folgende Fragestellungen erleichtern es Ihnen, eine systematische Orientierung an Ihrem Gesprächspartner aufzubauen:

  • Worauf legt mein Gesprächspartner großen Wert?
  • Was sind seine Interessensgebiete?
  • Wo liegen seine Probleme?
  • In welcher Lage befindet er sich?
  • Wie laufen bei ihm üblicherweise Entscheidungen ab?
  • Wie reagiert er auf Vorschläge?

Das wichtigste Mittel für die Orientierung am anderen ist jedoch Ihre Wahrnehmung. Achten Sie dabei bewusst auf die Körpersprache, sowohl auf die eigene als auch auf die Ihres Gegenübers. Sie erleichtern sich jede Art der persönlichen Kommunikation, wenn Sie die Zeichen der Körpersprache erkennen, richtig deuten und dieses Wissen zielorientiert anwenden können.

Richtig zuhören
Genauso wichtig ist das richtige Zuhören. Bei einem umschreibenden Zuhören wiederholen Sie das Gesagte Ihres Gegenübers mit Ihren eigenen Worten. Damit signalisieren Sie, dass Sie das Wesentliche der Aussage erfasst haben. Außerdem vermeiden Sie Missverständnisse oder stellen am ehesten Übereinstimmung her, wenn Sie sagen, was bei Ihnen genau angekommen ist. Als Einstiegsformulierungen eigenen sich beispielsweise „Mit anderen Worten …“, „Wenn ich Sie richtig verstehe …“ oder „Ihnen ist wichtig, dass …“.

Einen Schritt weiter geht das aktive Zuhören: Dabei achten Sie nicht nur darauf, was Ihr Gesprächspartner sagt, sondern auch, wie er es sagt. Gefühle, Hoffnungen und Wünsche werden meist nicht direkt formuliert, sondern schwingen in den Äußerungen mit. Versetzen Sie sich also in den anderen hinein und fragen Sie sich im Stillen: „Was empfindet mein Gesprächspartner?“, „Welches Interesse hat er?“, „Was beschäftig ihn?“, „Wie ist ihm zumute?“.

Bestätigen Sie schließlich durch einfühlende Formulierungen, dass Sie die mitschwingenden Signale verstanden haben: „Sie befürchten jetzt, dass …“, „Sie ärgern sich, weil …“, „Sie sind noch unentschieden, ob…“. Die meisten Menschen erleben es als ungewohnte Wohltat, wenn sie wahrnehmen, dass ihnen ernsthaft zugehört wird.

Verschiedene Seiten einer Mitteilung
Dass alle Aussagen oder Mitteilungen im Grunde genommen mehrere Seiten aufweisen, hat Karl Bühler bereits in den Dreißigerjahren dargestellt. Sein Kommunikationsmodell wurde in den Siebzigerjahren von dem Sprachphilosophen Paul Watzlawick ausgebaut und schließlich von Friedemann Schulz von Thun weiter vertieft und bekannt gemacht. Demnach enthält jede Mitteilung, die wir von unserem Gesprächspartner empfangen oder selbst senden, im Grunde genommen vier Informationen:

  1. Sachebene: Wir teilen Sachinhalte mit.
  2. Aufforderung: Wir teilen uns mit, um etwas zu erreichen. Ganz gleich, ob wir eine Bitte haben, einen Rat erbeten, einen Appell aussenden, eine Mahnung aussprechen – wir wollen, dass sich unser Gesprächspartner in einer bestimmten Weise verhält.
  3. Beziehung: Wie wir zu jemandem stehen, drücken wir immer durch die Art und Weise aus, wie wir mit dem anderen sprechen.
  4. Selbstaussage: Wir sagen mit jeder Mitteilung immer auch etwas über uns selbst aus, z. B. unsere Gefühle, Meinungen, Haltungen etc.

Dabei kommt es vor allem auf der Beziehungsebene zu Konflikten. Folgendes Beispiel soll dies erläutern:

Wenn ein Beifahrer zum Fahrer äußert: „Du, da vorne ist grün“ enthält diese Mitteilung folgende Informationen:

  1. Sachinhalt: Die Ampel zeigt grün.
  2. Aufforderung: Gib Gas! Sieh zu, dass du die Ampel noch schaffst.
  3. Beziehung: Du benötigst beim Fahren meine Hilfestellung.
  4. Selbstaussage: Ich habe es eilig. Ich bezweifele, dass wir so rechtzeitig ankommen.

Diese vier Seiten ermöglichen uns aber auch vier verschiedene Reaktionsmöglichkeiten auf eine Mitteilung, die je nach Gesprächszusammenhang oder auch  „Tagesform“ Ihres Gesprächspartners unterschiedlich gewählt werden müssen.

  1. Sachinhalt: Sie gehen auf die Tatsachen ein, die sich nur aus dem Wortlaut ergeben. Z. B.: „Stimmt.“ Oder: „Ja, das ist eine Fußgängerampel.“
  2. Aufforderung: Sie klären den unausgesprochenen Wunsch, der unterschwellig mitschwingt. Z. B.: „Du möchtest, dass ich schneller fahre.“
  3. Beziehungsebene: Sie decken auf, wie Sie sich behandelt fühlen. Z.B.: „Du hältst mich für unaufmerksam.“
  4. Selbstaussage: Sie fühlen sich in die Situation des anderen ein und sprechen seine derzeitige Gefühlslage an. Z.B.: „Du machst dir Sorgen, dass wir nicht pünktlich sind.“

 

Das eigene Gesprächsverhalten beobachten
Für die Weiterentwicklung Ihrer allgemeinen Kommunikationskompetenz ist es eine wichtige Voraussetzung, das eigene Gesprächsverhalten besser zu kennen. Werden Sie einmal zum Beobachter Ihrer eigenen Reaktionen in verschiedenen Gesprächssituationen und vergleichen Sie diese mit den folgenden sechs typischen Antworttendenzen.

  • Ihre Antworten sind wertend, d.h. sie implizieren einen moralischen Standpunkt und beinhalten ein ablehnendes oder zustimmendes Urteil.
  • Ihre Antworten sind Interpretationen. Sie verstehen nur, was Sie verstehen wollen. Sie betonen, was Ihnen wichtig erscheint und Ihr Verstand sucht nach einer passenden Erklärung. Es kann vorkommen, dass Sie den Gedankengang Ihres Gesprächspartners verzerren.
  • Ihre Antworten haben stützenden/tröstenden Charakter und zielen auf eine Ermutigung, Beruhigung oder einen Ausgleich ab. Sie empfinden eher Mitleid und glauben, dass man das Problem/die Sache nicht noch stärker dramatisieren sollte.
  • Ihre Antworten sind forschend. Sie bemühen sich, mehr zu erfahren und lenken das Gespräch in die Richtung, die Ihnen wichtig erscheint. Manchmal verdächtigen Sie Ihren Gesprächspartner, das Wichtigste zu verschweigen.
  • Sie neigen dazu, in Ihren Antworten eine sofortige Lösung des Problems zu geben. Sie reagieren durch Handeln und drängen zur Tat. Sie warten nicht ab, bis Sie mehr erfahren haben. Mit dieser Vorgehensweise werden Sie den Gesprächspartner und sein Anliegen möglichst leicht los.
  • Ihre Antworten zeigen Verständnis und spiegeln Ihre Bemühungen wieder, sich wirklich in die Problemlage des Gesprächspartners zu versetzen. Sie wollen vor allem sicher gehen, das Gesagte richtig verstanden zu haben. Mit dieser Haltung ermutigen Sie Ihren Gesprächspartner und regen ihn zu weiteren Ausführungen an.

Eine Verständnis vermittelnde Antworttendenz kann sehr häufig die richtige Wahl sein, ganz besonders, wenn es um den Einstieg in ein Gespräch geht. Aber auch jede andere dieser Gesprächsreaktionen hat zu gegebener Zeit ihren Stellenwert. Sie können also Ratschläge erteilen, aber erst, wenn Ihnen Ihr Gegenüber signalisiert, dass er dafür offen ist. Bei der Analyse von Sachverhalten können Fragen das richtige und auch lenkende Mittel sein. Manchmal drücken sich Gesprächspartner so verwirrend aus, dass nur mit viel Interpretationsgeschick der Sinn des Gesagten zu erfassen ist. In anderen Gesprächen wird wiederum eine Wertung erwartet. Indem Sie jedoch Ihr alltägliches Gesprächsverhalten anhand dieser sechs Antworttendenzen überprüfen, können Sie herausfinden, ob Sie nicht für sich bestimmte Verhaltensweisen zur Regel gemacht haben, anstatt individuell auf Gesprächspartner und Situation zu reagieren. Denn durch ein angemessenes Antwortverhalten bestimmen Sie die allgemeine Grundstimmung eines Gespräches sowie den weiteren Gesprächsverlauf maßgeblich mit.

Fit für eine professionelle Gesprächsführung

  • Formulieren Sie im Vorfeld klare Gesprächsziele.
  • Orientieren Sie sich im Gesprächsverlauf immer wieder an Ihrem Gegenüber.
  • Hören Sie aktiv zu, d.h. achten Sie auch darauf, wie jemand etwas zu Ihnen sagt.
  • Bedenken Sie die vier Seiten einer Mitteilung: Sachinhalt, Aufforderung, Beziehungsebene und Selbstaussage.
  • Analysieren Sie Ihr eigenes Gesprächsverhalten und überprüfen Sie, ob Sie zu bestimmten Antworttendenzen neigen.

 

Zu den Autoren

Prof. Dr. Christian-Rainer Weisbach lehrt und forscht an den Universitäten Hohenheim und Tübingen und arbeitet seit 25 Jahren als Personalentwickler, Coach und Referent. Er ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen zur professionellen Gesprächsführung.

Markus Junger M.A. ist Lehrbeauftragter der Universität Tübingen und arbeitet seit 1999 als Personaltrainer, Coach und Referent der professionellen Gesprächsführung für zahlreiche Unternehmen und Institutionen. Er ist studierter Rhetoriker und Pädagoge und wurde von Prof. Dr. Christian-Rainer Weisbach in der professionellen Gesprächsführung ausgebildet.

www.professionelle-gespraechsfuehrung.com